CDU-Bundestagsabgeordneter Dr. Oliver Vogt über Ernährung und Energie

"Bauern brauchen Planungssicherheit"

In der vergangenen Woche traf sich Dr. Oliver Vogt zusammen mit dem Westfalen-Blatt-Redakteur Andreas Schnadwinkel an der Südhemmener Mühle zum Sommerinterview:

Hille WB. Dr. Oliver Vogt (45) ist promovierter Physiker, das hat er mit Ex-Kanzlerin Angela Merkel gemein. Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Kreis Minden-Lübbecke kennt den ländlichen Raum aus seinem Wahlkreis. In Berlin bringt er seine Erfahrungen im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft ein.

 

Sie sind nicht nur Bundestagsabgeordneter, sondern auch CDU-Kreisvorsitzender in Minden-Lübbecke. Ist Ihre Sommerpause davon geprägt, dass Sie einen Kandidaten oder eine Kandidatin für die vorgezogene Landratswahl im Januar finden müssen?

Oliver Vogt: Im Abgeordnetengesetz gibt es keine Passage über Urlaubsanspruch. Insofern bedeutet Sommerpause, dass ich vor allem im Wahlkreis arbeite. Natürlich ist es eine zusätzliche Aufgabe, eine Persönlichkeit zu finden, die Landrätin oder Landrat im Kreis Minden-Lübbecke werden kann.

 

Haben Sie Verständnis für die Entscheidung Ihrer Landrätin Anna Bölling, in Detmold Regierungspräsidentin zu werden?

Vogt: Ich kann nachvollziehen, dass sich unser Ministerpräsident dazu entschieden hat, die Bezirksregierung Detmold nach 27 Jahren wieder mit einer Persönlichkeit aus der Reihen der CDU zu besetzen. Und dass eine Frau gesucht würde, war klar, nachdem Dorothee Feller die Bezirksregierung Münster verlassen hatte, um neue Schulministerin zu werden. Da gerät eine CDU-Landrätin natürlich in den Blick. Für Anna Bölling freut es mich, aber ich hätte mir gewünscht, sie als Landrätin im Kreis länger behalten zu dürfen. Aufgrund der Herausforderungen im Mühlenkreis brauchen wir jetzt eine starke Nachfolge im Kreishaus.

 

Im Bundestag sind Sie Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Durch den Ukrainekrieg hat dieser Bereich eine neue Relevanz erhalten. Merken Sie das in Ihrer täglichen Arbeit?

Vogt: Dass der Verteidigungsausschuss natürlich permanent Sondersitzungen hat, ist logisch. Aber meine Kolleginnen und Kollegen, die schon länger Mitglieder im Agrarausschuss sind, berichten mir, dass die aktuelle Situation mit vielen Sondersitzungen für sie neu ist. In der Berichterstattung über den Krieg spielte die Landwirtschaft anfangs eine untergeordnete Rolle, da ging es um Energie und Rohstoffe, aber nicht um Nahrungsmittel. Das hat sich grundlegend geändert.

 

Wodurch?

Vogt: Wenn die Kornkammer Europas nicht mehr liefert, dann wiegt das schwer. Das betrifft ja die Länder Afrikas ungleich schlimmer als uns. Deswegen bin ich auch dem Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen dankbar dafür, dass er die Bundesregierung dazu aufgefordert hat, angesichts der Krise auf die Stilllegung von vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen zu verzichten. Und wenn ich dann erlebe, dass Minister Cem Özdemir monatelang braucht, um von einem kategorischen Nein aus ideologischen Gründen zu der Einsicht zu gelangen, dass die Flächenstilllegung vielleicht doch keine so gute Idee sein könnte, dann verstehe ich die Verärgerung bei Landwirten und Bürgern. Es geht zwar nun zusammen mit der Aussetzung des Fruchtfolgewechsels nur um vier Millionen Tonnen Weizen, aber wir müssen unseren Beitrag zur Ernährung der Welt leisten. In Afrika bekommen wir ein riesiges Hungerproblem, das ganz schnell bei uns landen könnte. Denn die Menschen machen sich dann nämlich auf den Weg zu uns.

 

Was bekommen Sie von den Landwirten in Ihrem Wahlkreis über die Ampel-Koalition und den grünen Agrarminister Cem Özdemir zu hören?

Vogt: Mit der großen Koalition waren die Landwirte auch nicht so zufrieden. Die Kritik bekam zwar die zuständige CDU-Ministerin Julia Klöckner ab, aber auf der Bremse stand Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD. Und in den entscheidenden Fachgesprächen im Kanzleramt folgte Angela Merkel der SPD, weil sie Ruhe in der Koalition haben wollte. Die Landwirte reagieren hochsensibel auf politischen Entscheidungen der Ampel-Koalition, im Wahlkreis hatten wir beispielsweise Bauernproteste in Petershagen. Die Landwirtschaft braucht Planungssicherheit und will wissen, wie es in den nächsten zehn Jahren weitergeht. Bauern sind bereit, Millionen in moderne Agrartechnik zu investieren, um zum Beispiel weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen, und die Kredite abzubezahlen. Aber dazu brauchen sie langfristige Klarheit. Zu dieser Klarheit gehört für mich, den konventionellen Landbau nicht politisch und ideologisch zu verteufeln. Gleiches gilt für die Gentechnik im Agrarbereich, da sind uns die USA und China meilenweit voraus.

 

Warum schlägt sich die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung nicht in höheren Umfragewerten für die Union nieder?

Vogt: Wir müssen unsere Erfolge, wenn wir durch Zustimmung zu Regierungsplänen in Verhandlungen ei­ne Verbesserung erreicht haben, besser adressieren. Andererseits müssen wir uns auch klar abgrenzen, wo es nötig ist, und mehr zuspitzen, um besser durchzudringen. Nach 16 Jahren in der Regierungsverantwortung haben wir jetzt den Moment, unsere Werte und Ideen neu zu bestimmen und neu zu entwickeln. Dabei setzte ich voll auf die Arbeit von Carsten Linnemann als Chef der Programmkommission. Man spürt, dass ihm das eine Herzenssache ist.

 

Wird die Frauenquote das beherrschende Thema auf dem CDU-Bundesparteitag am 9. und 10. September in Hannover?

Vogt: Dafür werden die Medien schon sorgen. Inhaltlich ist zum Beispiel die Grundrechte-Charta viel wichtiger. Die Debatte über die Frauenquote gibt es ja schon länger, und es wird immer Gegner und Befürworter der Quote geben. Die Ein-Drittel-Quote sorgte in der Vergangenheit jedenfalls nicht dafür, dass wir ein Drittel Frauen in der Partei haben, sondern unter einem Viertel. Und eine 50-Prozent-Quote würde auch nicht dafür sorgen, dass wir uns der Hälfte nähern.

 

Vor welcher Form der Energiegewinnung haben die Leute in Ihrem Wahlkreis mehr Sorgen: vor Windkraft oder vor Fracking?

Vogt: Frackinggas wollen die Leute nicht, weil mögliche geologische Folgen ein enormes Risiko beinhalten. Außerdem ist der Wirkungsgrad von Frackinggas nicht besonders hoch. Das ist wie bei der Glühlampe, die nur einen Wirkungsgrad von fünf Prozent hatte und der Rest vor allem Abwärme war, und der Energiesparlampe, die heute bei 60 Prozent liegt. Wenn man Aufwand und Nutzen in Relation stellt, dann ist Fracking nicht sehr effizient. Wir werden Windenergie ausbauen müssen, auch wenn es die Landschaft belastet. Aber das darf nicht per Ordre de Mufti geschehen. Wir müssen die Bewohner des ländlichen Raums mitnehmen und sie beispielsweise über Bürgerwindparks an den Erlösen beteiligen. Anders lässt sich keine Akzeptanz herstellen.

 

Quelle: Westfalen-Blatt