Völlig neue historische Situation
Welche Rolle spielt Deutschland für die Sicherheit Europas? Dieser Frage ist der CDU-Kreisverband Minden-Lübbecke gestern Abend beim ersten Mühlenkreisgespräch des Jahres 2024 auf den Grund gegangen. Der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Dr. Oliver Vogt konnte zu der traditionellen Veranstaltung in der Aula der Freien Evangelischen Schule in Minden rund 170 interessierte Zuhörer begrüßen. Als Gastredner des Abends konnte der CDU-Kreisvorsitzende seinen Kollegen und früheren Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reakgtorsicherheit, Dr. Norbert Röttgen, gewinnen, dessen Vortrag sich dem Thema „Deutschlands Rolle für ein sicheres Europa“ widmete.
Gleich zu Beginn seines Vortrags stellte der renommierte Experte für Außenpolitik klar, in welcher Lage sich nicht nur Deutschland und Europa, sondern die ganze Welt zurzeit befinden: „Wir sind in einer völlig neuen historischen Situation, an einem Scheideweg“, so der Bundestagsabgeordnete. Dr. Norbert Röttgen sprach vom Ende der längsten Friedens-Epoche in der Europäischen Union und meinte damit den andauernden Krieg in der Ukraine, der am 24.02.2022 durch den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine über Europa hereingebrochen war. Aber auch der Krieg im Nahen Osten oder der angekündigte Krieg der Chinesen gegen Taiwan stellen für Europa aber auch gerade für Deutschland als Export orientiertes Land ein enormes Risiko dar. Dies machte Röttgen am Beispiel der deutschen Autoindustrie sehr deutlich. Dazu gesellten sich noch der Klimawandel und die Migrationsproblematik: „Das ist die Welt in der wir leben“, so der Außenpolitiker. Dabei stellte Röttgen klar, dass Deutschland allein all diese Probleme nicht lösen könne, es aber ohne einen Beitrag Deutschlands auch nicht zu einer Lösung kommen werde: „Es kommt auf uns und unseren Beitrag an“, betonte Röttgen. Den Krieg zum Scheitern zu bringen und aus Europa zu verbannen, müsse das Ziel sein, um wieder eine Perspektive auf ein freies und friedliches Europa zu haben. Sollte dieses Ziel nicht gelingen und Putin würde diesen Krieg gewinnen, wäre das fatale Signal: „Krieg lohnt sich“.
Als Hauptansatz, den Krieg von Putin in der Ukraine zu beenden, sieht Röttgen am Ende natürlich Verhandlungen, für die allerdings vorher die Grundlage gelegt werden müsse. Putin habe zu Beginn des Krieges die russische Armee völlig überschätzt und den Widerstandswillen der Ukrainer total unterschätzt und auch die Entschlossenheit des Westens falsch eingeschätzt. „Putin hat sich nicht damit abgefunden, dass Russland kein Imperium mehr ist“, sieht Dr. Norbert Röttgen den Grund für den Krieg von Putin gegen die Ukraine. Putin werde erst bereit sein zu verhandeln, wenn er zu der Erkenntnis gelange, dass sich der Krieg für Russland nicht auszahle. Zur Erreichung dieses Zustandes brauche die Ukraine vor allem die Unterstützung des Westens durch Lieferung von Waffen und Munition. Und dazu gehöre auch der Tausrus-Marschflugkörper. In diesem Zusammenhang kritisierte Röttgen die Unentschlossenheit der Bundesregierung und insbesondere des Bundeskanzlers, der zudem seine Weigerungshaltung nicht ausreichend begründe.
Die kommenden Präsidentschaftswahlen in den USA standen ebenfalls im Blickfeld von Röttgen und er mahnt an, dass es bei einer möglichen Wahl von Donald Trump eine abrupte Wende in der amerikanischen Außenpolitik und damit auch für die Verfasstheit der Nato zu befürchten sei, wie man sie seit 1945 nicht gekannt habe. Daher kämen auf Europa und damit auch auf Deutschland mehre Verantwortung zu. Röttgen stellt dazu die Frage: „Wer oder was wollen wir Deutschen sein in einer Zeit wie dieser?“ Die Beantwortung dieser Frage läge allerdings nicht an technischen Fähigkeiten oder finanziellen Möglichkeiten. „Es ist eine Frage des politischen Willens.“ stellte Röttgen zum Abschluss fest. Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich ein reger Austausch mit den anwesenden Zuhörern, die intensiv die Gelegenheit zu Fragen nutzen.